Ralf Maul

Frequenzenfeuer

 

Ein Mißton

Die Lücke, die ein

feiner Riss nur war,

bricht auf.

 

Dissonanz zerbricht

Akkorde.

Tönejäger

zupfen straffe Bogensehnen.

 

Köpfe straff

von Stein umhüllt.

Donner rollt

im Echotal der Lügenflüsse.

 

Im Himmel

singen Wörtergötter

Gewittermelodien.

 






Regen in der Nacht

 

Ein letzter Schluck

noch im Glas

Schweigend 

am Fenster

 

Rauschend 

die Tropfen

In der Weite

des Klangs

 

So stille

so still

ist alles

umher

 

Ein Schatten

Und: Eine Frage

 

Oh, nein

Vielen Dank

Lass das Glas

wie es ist

 

Füll es 

nicht 

nochmal

mir auf

 

Höre 

mit mir

das Schweigen

des Wassers

 

Regen, der alles

durchdringt

Ich werfe den Tag

in den rinnenden Lauf

 

 





Ganz still

 

 

Bei dir sitz ich gern, 

alter Märchenerzähler.

Da bin ich ganz still.

Ganz still, ganz still, 

ganz mausestill.

 

Viel Zeit lässt du dir. 

Kramst da etwas herum,

suchst dort irgendwas. 

 

Da kann es auch passieren,

das du mit einem lauten "ACH!" von 

dannen stürmst, um etwas, was dir

wichtig scheint, wortgewaltig unter

gar ruppigem Fluchen, ganz allein

für dich zu suchen.  Oder finden. 

Ich denk´, das weisst du selbst nicht. 

Warum auch.

 

Alles braucht seine Zeit. 

Du aber, du brauchst sie nicht. 

Du bist dir selbst die eigene Rechnung 

von Tagen, Stunden und von Jahren. 

Sekunden, Blitze, Lichtgedanken.

 

Kaum nur ausgesprochen, 

kaum nur hingesagt,

kann ein einzig Wort von dir, 

mir zum Walde werden.

 

Voll Zauber, Magie 

durch Auen wandernd, 

im blauen Oben 

Schäfchenwolkherden.

 

Ich lausche ganz still

dem Farbgesang.

Ruhig bist du angekommen,

wohin des Traumes 

heutiger Gang 

seine Blüten gesetzt.

 

Du pflegst sie mit

der Stimme Klang,

die Wasserstrom gleich,

sie weckt und benetzt.

 

Erzählst davon, das all die

Farben, die wir in Blumen sehn,

aller Abend beim Sonnentief

vom Himmel hin zur Erde gehen.

Soviel rankt sich hoch

an Zweigen der Schönheit,

die Blumen geliebter 

samtener Worte.

Mit dir geh ich gerne

zu jedwedem Orte

an dem die edlen

Gewächse noch sind. 

 

Dort sitz ich dann gern,

alter Märchenerzähler.

Lausche ganz still, ganz

mucksmäuschenstill,

auf deine hingezauberte Stimme.

 

In regenbogwehendem Märchenwind.

 

 

 






Zeitengang

 

Wer wußte wirklich,

wer sie wohl war,

die hinter dreckigen

Scheiben dort stand.

 

Ein Kräuseln im Stoff

der grauen Gardinen,

nur manchmal ein 

leichtes Fingergespiele

von fahrig zitternder

Greisinnenhand. 

 

Nie sah sie jemand

wirklich dort stehen,

war nur ein Schemen

hinter staubigem Glas.

 

Was hatte sie wohl

schon alles gesehen

in diesem Leben, hinter 

schützenden Scheiben.

 

Wieviele junge Männer

im Gleichschritt dort gehn

um für immer auf

fremden Feldern zu bleiben.

 

Frauen und Kinder,

gestossen, getreten.

Wilde Zerstörung

und wüstes Vertreiben.

 

Alles, was sie

jemals gerne hatte, 

ging die Strasse hinunter

und kam nicht zurück.

 

Vielleicht auch deshalb

wollte keiner sie kennen.

Keiner den Blick

gern ertragen,

der doch so viel

und so Arges geschaut.

 

Heut´ wird das Haus,

in dem sie einst lebte,

abgerissen und ein

Neues gebaut.

 

Nun stehe ich hinter 

altgrauem Vorhang

und schau dabei zu,

wie der letzte Rest fällt, 

von dem, das mir 

war noch vertraut.

 








Hier und Jetzt

 

Oft in Demut,

oft in Glauben

und so oft

enttäuscht.

 

Nie zu wissen,

wessen Hand

griff zuerst

den Stein.

 

So oft zweifelnd,

oft allein.

So oft zweifelnd.

Und allein.

 

Viel zu oft

durch andre

schreitend.

In der Stille

grausig lachend.

 

In der Hand

den Stein.

Drückend,

wägend

fallen lassend.

 

Auf dem Weg

durch leere Herzen.

Ausgesaugte

Menschengeister.

 

Auf den Pfaden

aller Seelen.

Wankend kleines

Sein im Schein.

 

Nicht mehr denken.

Nichts mehr meinen.

All die Wahrheit

fest im Griff von Steinen.

 

Die Eigne ist

in Demut, 

oft voll Glauben,

in sich selbst allein.

 





Überall ist Farbe und Bild

 

Noch ist die große Bühne dunkel

bis auf letzte, kleine Kerzen.

Kleine, atmosphärisch flackernde 

Punkte, die langsam verlöschen.

 

Leichte Beleuchtung verbreitet

fahles Dämmern.

Lässt Reihen geordnet, teils wie

willkürlich verteilt, zuerst noch

wie eine Ahnung erscheinen.

 

Leise Geräusche erklingen. 

Ein graues Schaben hier, dort ein 

rostrotes Räuspern,

kleines violettes Husten

erglimmt und vergeht 

im weichenden Schwarz.

Erste Bilder stimmen sich ein.

Die Helle steigt auf. Eine kurze 

Triole durchzieht wie ein Streif 

die weichende Ruhe der Dunkelheit.

Bassiges Rollen und Strecken.

Helles Vibrieren zieht zartrosa Streifen

durch sonor erscheinend azuriges Blau.

 

Helle schwillt an, füllt wässrig 

schimmernd die Schalen

für das erfrischende Morgenbad.

Fort geht das Dunkel, im Hellen 

erscheinen in halbrunder Ordnung

Phalanxen von Silhouetten.

Kurz noch wirkt es, von Ferne

die Umrisse eine Stadt zu sehen,

die Front eines Zauberwaldes.

 

Das Licht,

und Singvögeln gleich durchflattern

die Klänge der Violinen das Miauen 

von Klarinettenkatzen. Traumbild

vor Augen noch, sei es Fagott mit

sturem Pinsel, dem anderen im Gold

der Harfen gemalt.

Die Welt in Bewegung, fellbespannte,

zu Röhren gegossene Percussion.

 

Der Dirigent öffnet das Morgenfenster.

Erhebend die Arme, sich weit ausstreckend,

die Augen geschlossen und Farben sehend

eröffnet er die Symphonie seines Tages.